Streit um Software-Erfolg
Lieferte Robotron die Vorlage für SAP-Software?
Das Computer-Kombinat Robotron hat Anfang der 70er eine Geschäftssoftware entwickelt, die allen anderen weit überlegen war. SAP konnte auf diese Robotron-Vorarbeit aus der DDR zurückgreifen und damit seinen weltweiten Siegeszug beginnen. Der Software-Konzern weist diese Behauptung jedoch vehement zurück.

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Robotron-Rechenzentrum in Berlin: Hier standen die
Großrechner der DDR
In der DDR war nicht alles schlecht. Einiges war sogar besser als im Westen. Zu diesem Schluss könnte gelangen, wer Heinz-Peter Utz über die Software-Entwicklung in Deutschland reden hört. Der Berliner Unternehmer sieht nämlich das ehemalige DDR-Elektronik-Kombinat Robotron gewissermaßen als Geburtshelfer für den westdeutschen Vorzeigekonzern SAP an. SAP hat 1972 mit der Entwicklung von betriebswirtschaftlicher Software begonnen", insistiert Utz. "Da vergleichbare Entwicklungen in der DDR schon einige Jahre früher eingeleitet worden waren, konnte SAP auf Lösungen von Robotron zurückgreifen." Der drittgrößte Softwarekonzern der Welt hingegen weist die Behauptung vehement zurück. Der Rest ist bekannt: SAP trat mit seiner Betriebssoftware einen weltweiten Siegeszug an und erwirtschaftet heute Milliardengewinne. Robotron wurde dagegen nach der deutschen Wiedervereinigung liquidiert und in Einzelteilen verkauft. Utz will dies nicht hinnehmen.
Großrechner der DDR
In der DDR war nicht alles schlecht. Einiges war sogar besser als im Westen. Zu diesem Schluss könnte gelangen, wer Heinz-Peter Utz über die Software-Entwicklung in Deutschland reden hört. Der Berliner Unternehmer sieht nämlich das ehemalige DDR-Elektronik-Kombinat Robotron gewissermaßen als Geburtshelfer für den westdeutschen Vorzeigekonzern SAP an. SAP hat 1972 mit der Entwicklung von betriebswirtschaftlicher Software begonnen", insistiert Utz. "Da vergleichbare Entwicklungen in der DDR schon einige Jahre früher eingeleitet worden waren, konnte SAP auf Lösungen von Robotron zurückgreifen." Der drittgrößte Softwarekonzern der Welt hingegen weist die Behauptung vehement zurück. Der Rest ist bekannt: SAP trat mit seiner Betriebssoftware einen weltweiten Siegeszug an und erwirtschaftet heute Milliardengewinne. Robotron wurde dagegen nach der deutschen Wiedervereinigung liquidiert und in Einzelteilen verkauft. Utz will dies nicht hinnehmen.

Robotron-Computer "K 8915" aus DDR-Produktion mit Bildschirm und Tastatur
DDR-Doktorarbeit von 1971 liefert Grundlage für Geschäftssoftware
Seine Doktorarbeit bildete die theoretische Grundlage für "Sachgebietsorientierte Programmiersysteme". Mit diesen "SOPS" ließen sich betriebliche Abläufe wie Materialwirtschaft, Absatz oder Kostenrechnungen standardisiert durchführen. Die SOPS wurden nicht nur in der DDR-Wirtschaft, sondern zum Beispiel auch in der Sowjetunion und im Irak eingesetzt.
Gräßler war nicht der Einzige in der Deutschen Demokratischen Republik, der an der neuen Software forschte. Zwischen 1967 und 1975 arbeiteten rund 300 Robotroniker im Dresdner Stammhaus an den SOPS. Laut Gräßler habe man für die Entwicklung der DDR-Betriebssoftware 1635 Arbeitskräftejahre benötigt. SAP wurde 1972 von nur fünf ehemaligen IBM-Managern gegründet, die dann binnen kurzer Zeit erste Software-Produkte auf den Markt brachten. Die Existenzgründer aus dem badischen Walldorf - darunter Hasso Plattner und Dietmar Hopp - hatten zuvor schon bei IBM fleißig programmiert.
Der US-Konzern betrachtete Software jedoch lediglich als Dreingabe zur Hardware. Die SAP-Gründer setzten auf die steigende Bedeutung von Software bei westdeutschen Großunternehmen. Das Neue ihrer Programme habe darin bestanden, die Daten in Echtzeit verarbeiten zu können, schreibt Gerd Meissner in seinem Buch "Die heimliche Software-Macht". Der Wirtschaftsjournalist zeichnet dort minutiös die Anfangszeit der Walldorfer Erfolgsgeschichte nach.
SAP war anfangs nur ein einfaches Programm für Finanzbuchhaltung

SAP-Zentrale in Walldorf: Der Konzern erzielte 2006 einen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro
Offen ist jedoch, ob sie so leistungsfähig waren wie West-Software. Gräßler glaubt, dass die SAP-Gründer sich ausgerechnet aus dem Computer-Entwicklungsland DDR Anregungen geholt hätten. Er verweist darauf, dass die Ideen seiner Dissertation unter anderem in der DDR-Fachzeitschrift "Rechentechnik und Datenverarbeitung" veröffentlicht worden seien. Diese sei auch im Westen erhältlich gewesen. Und möglicherweise hätten ja auch die SAP-Gründer den einen oder anderen Blick dort hinein geworfen. Was allerdings aus rechtlicher Sicht keineswegs unzulässig ist.
Die Frage bleibt: Wer hat's erfunden?
"Wer hat das Grundkonstrukt erfunden und kann davon einen Urheberrechtsanspruch ableiten?", lautet dennoch für Gräßlers Mitstreiter Heinz-Peter Utz die entscheidende Kernfrage. Er selbst lässt sie allerdings unbeantwortet und verweist darauf, dass Dissertationen und Zeitschriftenartikel zwar öffentlich zugänglich seien, das deutsche Urhebergesetz aber Computerprogramme "einschließlich des Entwurfsmaterials" schütze.
Aus heutiger Sicht mag es absurd wirken, dass ausgerechnet ein "volkseigener Betrieb" der maroden DDR-Planwirtschaft die Blaupause für die Erfolgsstory von SAP geliefert haben könnte. Vollkommen abwegig erscheinen diese Hinweise aber nicht. So konstatierte 1990 die "Forschungsstelle für Gesamtdeutsche wirtschaftliche und soziale Fragen", die für die Bundesregierung arbeitete, in einer Studie: Auf den meisten Gebieten sei die DDR-Informatik zwar sechs bis zehn Jahre der westlichen Technologie hinterher gehinkt. Auch sei vieles "nachempfunden" worden. Doch habe die DDR mit den SOPS in den siebziger Jahren im europäischen Maßstab Pionierarbeit geleistet.
SAP und Siemens Nixdorf kaufen die Reste von Robotron
Aus der Robotron-Zentrale ging 1990 das "Software- und Systemhaus Dresden" (SRS) hervor, an dem zu gleichen Teilen SAP und Siemens Nixdorf beteiligt waren. Das Gros der 300 Mitarbeiter hatte zuvor bei Robotron gearbeitet. "Einige kamen damals zu mir und erzählten, sie hätten dort gar nicht groß eingewiesen werden müssen, weil die Software so ähnlich sei", erinnert sich Gräßler. Für ihn ein weiteres Indiz. Nun sucht der inzwischen 80-Jährige späte Gerechtigkeit.
Und Heinz-Peter Utz wittert ein Geschäft. Der Mann, der sich selbst als "Paradiesvogel" bezeichnet, bietet SAP die Gräßler-Dissertation zum Kauf an. Dem schärfsten Konkurrenten Oracle hat er auch schon ein Angebot unterbreitet. Der US-Softwarekonzern mit seinem streitbaren Chef Larry Ellison wirft SAP in einem anderen Fall gravierende Industriespionage vor.
Schlagworte
Die Behauptungen entbehrten jeder Grundlage, seien inhaltlich falsch und nicht nachvollziehbar. "Das Unternehmen hat seine Produkte selbst entwickelt", betont der Softwarekonzern aus Walldorf. Und das Unternehmen droht mit juristischen Schritten, "um seine Rechte gegen erpresserische Aussagen und Forderungen aufs Schärfste zu verteidigen."
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