Von Matthias Kremp
Er ist 23, Studienabbrecher - und bekommt jetzt 240 Millionen Dollar von Microsoft aufs Konto. Mark Zuckerberg, Gründer des Internet-Portals Facebook, hat für diese Summe lächerliche 1,6 Prozent seines Unternehmens verkauft. Ein Deal zum Staunen.
Als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im vergangenen Jahr eine Kaufofferte von Yahoo ausschlug, zweifelten nicht wenige an der Zurechnungsfähigkeit des damals 21-jährigen Studienabbrechers. Schließlich hatte ihm der Konzern eine Milliarde Dollar für sein Unternehmen geboten. Für eine Internetseite, die es damals gerade zwei Jahre gab.

Doch Zuckerberg, der bei Branchenkonferenzen schon mal jugendlich-jovial in Adiletten auftritt, schien mehr im Sinn zu haben. Er traut Facebook mehr zu. Kein Wunder. Schließlich hat das Portal enorme Wachstumsraten. Neun Monate nach dem Start im Februar 2004 hatte es die erste Million Kunden - mittlerweile sollen sich 49 Millionen an dem sozialen Netzwerk beteiligen, Texte, Bilder und Videos hochladen, neue Freundschaften schließen und alte wiederbeleben. Pro Tag melden sich laut Facebook durchschnittlich 250.000 neue Nutzer an, viele machen es zur Startseite im Internet - das Portal ist gerade ziemlich angesagt.
So sieht Erfolg im Netz aus. Und genau auf den hat es auch Microsoft abgesehen. In der vergangenen Nacht kam es deshalb zum spektakulären Deal zwischen dem jungen Portal und dem alten Software-Riesen. Microsoft steigt mit 240 Millionen Dollar bei Facebook ein. (mehr...)
Für Zuckerberg ein äußerst attraktives Angebot - denn für die gerundete Viertelmilliarde bekommt Microsoft bloß lächerliche 1,6 Prozent des Unternehmens.
Um die Zahlen in Relation zu setzen: Facebook macht gerade mal 100 Millionen Dollar Jahresumsatz. Doch Microsoft bewertet bei dem Deal den Wert der Anteile so hoch, dass der Gesamtwert des Portals 15 Milliarden Dollar betragen würde.
Microsoft kauft sich Erfolg
Der Kauf überrascht. Zwar hat sich Microsoft-CEO Steve Ballmer dazu bekannt, den Aktienwert seines Unternehmens durch vermehrte Online-Präsenz steigern zu wollen. Doch noch vor einem Monat hatte er soziale Netzwerke in der "Times" als Modeerscheinung abgetan. Alles, "was auf Jugendliche zugeschnitten ist, hat eine launenhafte Natur", sagte er und machte keinen Hehl daraus, dass er in den langfristigen Erfolg von Portalen wie Facebook kaum Vertrauen habe. "Darin kann keine tiefere Technologie stecken als das, was ein paar Dutzend Leute in ein paar Jahren schreiben können, so viel ist sicher."
Wieso dann der spektakuläre Einstieg bei Zuckerbergs Startup? Microsoft kauft sich bei Facebook nicht nur ein Schnipselchen eines hippen Trend-Portals - sondern vor allem Anteile am Online-Werbemarkt. Dieser wird bislang unangefochten von Google dominiert. 13,3 Milliarden Dollar Anzeigenumsatz hatte der Suchmaschinen-Primus im abgelaufenen Geschäftsjahr. Microsofts Plattform MSN-Adcenter kam auf 1,84 Milliarden Dollar. Dieses Missverhältnis stört Microsoft, nicht zuletzt weil sich der Online-Werbemarkt nach eigenen Schätzungen in den kommenden Jahren von 40 auf bald 80 Milliarden Dollar verdoppeln soll.
Davon etwas abzubekommen, dürfte durch den Facebook-Zukauf deutlich leichter werden. Microsoft soll künftig nicht mehr nur in den USA, sondern weltweit für das Anzeigengeschäft des schnell wachsenden Portals zuständig sein. Schon jetzt kommt die Mehrheit der Facebook-Kunden (59 Prozent) nicht aus den USA.
Die nächsten Investoren stehen schon bereit
Microsoft-Manager Kevin Johnson schätzt, dass die Zahl der aktiven Facebook-Nutzer bis 2011 auf 300 Millionen steigen wird - so lange läuft der Anzeigendeal. Die stattliche Zahl belegt das riesige Potential, das der Konzern in dem Portal sieht.
Und doch wirft sie die Frage auf, wie Microsoft den fiktiven Facebook-Wert von 15 Milliarden US-Dollar rechtfertigen will. Um so viel mit Anzeigenverkäufen einzunehmen, müsste mit jedem der derzeit noch fiktiven Facebook-Nutzer ein Umsatz von 50 Dollar erzielt werden. Ein sehr sportliches Ziel für ein kostenloses Webportal, zumindest aus heutiger Sicht.
WEB 2.0: DIE MITMACH-PLATTFORMEN DES GEMEINSCHAFTS-NETZES
MySpace
MySpace.com ist die populärste unter den Community-Plattformen, mit über 100 Millionen registrierten Nutzern. Wie auch Facebook.com, Xanga.com oder Friendster.com bietet MySpace den Nutzern die Möglichkeit, Profilseiten anzulegen und mit Bildern und Videos zu dekorieren, Musik und Text auf die Seite zu stellen und ihre persönliche Profilseite mit der von Freunden und Bekannten zu verknüpfen. MySpace ist sehr beliebt bei Nachwuchsmusikern und verhalf auch den britischen Arctic Monkeys zu ungeahntem Erfolg. In die Kritik geriet das Angebot, weil es von Pädophilen benutzt wurde, um Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. StudiVZ ist eine deutsche Studenten-Community, die Facebook ähnelt.
Flickr
Flickr.com ist eine Foto-Community. Nutzer können Bilder einstellen, mit Schlagworten ("Tags") versehen und Pools für bestimmte Themen einrichten. Im Zusammenhang mit Ereignissen wie den Terroranschlägen in der Londoner U-Bahn oder dem Hurrikan "Katrina" wurde Flickr auch zu einem Paradebeispiel für den sogenannten citizen journalism: Schnell entstanden Bildersammlungen von Privatleuten, die das Geschehen dokumentierten. Als deutsches Flickr-Pendant versucht sich zum Beispiel Photocase.
YouTube
YouTube.com lässt Nutzer Videos online stellen. Wie bei Flickr und ähnlichen Angeboten können andere Eingestelltes kommentieren und bewerten. Mit einem speziellen Werkzeug kann man YouTube-Videos auch auf seiner eigenen Webseite einbinden. Vergleichbare Dienste gibt es inzwischen zuhauf, Beispiele sind Metacafe.com, Vimeo.com und ClipShack.com. Auch Googles Videodienst funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Putfile.com ist ein genereller Upload-Service für Videos, Audio- und Bilddateien. Weiter gehen Angebote wie Eyespot.com und Jumpcut.com - dort können die Nutzer eingestellte Videos auch bearbeiten, zusammenschneiden und nachvertonen. Deutschsprachige Varianten von Youtube sind etwa MyVideo und FMarket. Eine Kombination aus Flickr und YouTube bietet Sevenload.
Del.icio.us
Eine Art Online-Bookmark-Sammlung mit Community-Eigenschaften. Bei Del.icio.us kann jeder angemeldete Nutzer Webadressen speichern, sie mit Schlagworten ("Tags") versehen und so anderen Benutzern zugänglich machen. Verwandte Sites lassen sich so gruppieren, User mit ähnlichen Interessen können einander auf Interessantes hinweisen. Für Firefox-Benutzer gibt es sogar ein Browser-Plugin, das den Zugriff auf die Online-Linksammlung in die Navigationsleiste integriert. Mr Wong ist eine deutsche del.icio.us-Variante. Ursprünglich auf Technologie-Nachrichten spezialisiert war digg.com. Die Selbstbeschreibung des Angebotes spricht von "nicht-hierarchischer redaktioneller Kontrolle": Indem Nutzer eingestellte Nachrichten bewerten, entscheiden sie mit über die Platzierung einer bei digg.com verlinkten Meldung auf der Seite. Eine deutsche Variante von Digg heißt Yigg.
Technorati
Technorati.com ist die Mutter aller Blog-Suchmaschinen. Sie katalogisiert Weblogs, Blogeinträge können wiederum mit Tags versehen und so zusammengefasst oder effektiver durchsucht werden. Technorati beurteilt Blogs auch nach Bedeutsamkeit und Glaubwürdigkeit - Suchergebnisse können entweder danach oder nach dem Erscheinungsdatum sortiert werden. Durch die Hitliste der häufigsten Suchbegriffe ist Technorati auch zu einer Art Seismograph für die heiß debattierten Themen der Blogosphäre geworden. Eine Blog-Suche bietet auch Google an (Google Blog Search) - mit weniger aufwendiger Funktionalität, aber teilweise anderen Ergebnissen.
Mashups
Mashups sind Multimedia-Collagen wie Video-Zusammenschnitte - oder aber Internetseiten, die durch das vermischen, verknüpfen oder neu konfigurieren vorhandener Inhalte entstehen. Häufig werden beispielsweise Ortsinformationen aus Google Maps mit anderen Inhalten, etwa Lexikon- oder Branchenbucheinträgen verknüpft. Auch Flickr und del.icio.us sind beliebte MashUp-Zutaten. Viele Web-Unternehmen stellen Hobbyentwicklern für solche Projekte sogar ihre "application programming interfaces" (APIs) zur Verfügung.
Blogs
Blogs oder Weblogs sind oft von Privatleuten geführte Internet-Publikationen. Sie basieren auf einer Software, die es erlaubt, Texte mit wenig Aufwand online zu stellen und Leser Artikel kommentieren zu lassen. Weblogs sind teilweise schlicht private Aufzeichnungen für den Freundeskreis, zum Teil aber durchaus ambitionierte Publikationsprojekte, die von den Betreibern als alternative journalistische oder literarische Form verstanden werden. Besonders themenspezifische Blogs können durch eingeblendete Werbung durchaus lukrativ sein. Es gibt auch organisierte Blogger-Verbände, die Zulieferer-Verträge mit Zeitungen und Nachrichtenagenturen haben.
Die Investoren scheinen sich von solchen Rechnungen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Wie zu besten Zeiten der Dotcom-Blasen wird über weitere Geldgeber orakelt. Johnson ließ während einer Telefonkonferenz die Frage offen, ob noch mehr Investoren im Gespräch seien. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" will jedoch erfahren haben, dass zwei Hedgefonds bereit stehen, ebenfalls je 250 Millionen Dollar in Facebook zu investieren.
"Langfristig etwas aufbauen"
Auf das schnelle Geld scheint es Zuckerberg allerdings nicht wirklich abgesehen zu haben. Nochh Anfang des Jahres sagte er in einem Interview, er wolle mit Facebook "langfristig etwas aufbauen". Da dürfte ihm Microsofts Bargeldspritze recht kommen, um genau das zu tun, was er sich für die kommenden Jahre vorgenommen hat: Die technische Aufrüstung des Unternehmens.
Ein Börsengang sei frühestens in zwei Jahren geplant, ist zu hören. Zuckerberg hat keine Eile. Schließlich ist jetzt vorerst genug Geld in der Kasse.